Tiefe Gefühle, purer Klang zur Eröffnung der Kulturwoche

Soirée zum Auftakt der Bergrheinfelder Kulturwoche: „True Colours“ adeln Hits durch Fokus auf Gesang und Piano

25 schlichtweg fantastisch interpretierte Songs. Und 25-mal die gleiche Reaktion bei den 130 Zuhörern der Sonntagabend-Soirée in der Zehnthaus-Bibliothek: Noch gefangen vom intensiven Klangerlebnis applaudierten sie immer erst eine ehrfurchtsvolle Sekunde, nachdem der letzte Ton verklungen war. Das Duo „True Colours“ machte mit jedem Lied süchtig nach mehr purem Musikgenuss mit Stimme und Piano.

Denn jeder Schlussakkord riss einen aus einem gefühlvollen Traumerlebnis und nährte den Wunsch, gleich eine weitere Reise in die ausdrucksstarke Welt großartiger Musikkompositionen zu unternehmen. Und definitiv verstand die „Reiseleitung“ ihr Handwerk – künstlerisch wie dramaturgisch.

Ohne effektreiche Bühnenperformance und Instrumentalpomp: Die attraktive Sängerin Canan Semel (45) und ihr „Tastenbezwinger“ Florian Mohr (26) interpretierten Klassiker vergangener Jahrzehnte und aktuelle Charthits in großer Bandbreite und überraschenden Arrangements.

Eine jazzige Slow-Version von „Let it be“ (Beatles) zum Beispiel lenkte den Fokus auf die Kunst der zugrunde liegenden Komposition. Ebenso ein intensives „Man in the mirror“ (Michael Jackson), dem die Reduktion auf Gesang und expressive Melodik schlicht gut tat. Höchste Weihen bekamen die Balladen „Against all odds“ (Phil Collins), „In the arms of an angel“, „Because of you“ (Kelly Clarkson), „Don’t let the sun go down on me“ (Elton John) oder die ergreifenden Lieblingslieder Semels „Shape of my heart“ oder „Fields of gold“ (Sting) durch die professionell ausgebildete Stimme der Schweinfurterin: Ihre Mimik und Gestik vermittelten ein zutiefst und ehrlich empfundenes Gefühlserlebnis. Das ging allen Anwesenden unter die Haut.
Atemberaubende Fingerfertigkeit

Also gab’s zum Aufrütteln gleich was Flottes zum Mitwippen, -schnippen und -singen hinterher: Als gesanglicher Duettpartner, Backvocalist, Pianobegleiter oder schelmischer Solist glänzte das examinierte musikalische Multitalent Florian Mohr aus Bergrheinfeld mit gleichwertigen Showanteilen und atemberaubender Fingerfertigkeit. Zum Beispiel bei „Relight my fire“, „Ride like the wind“ und Supertramps „Logical Song“. Bestens aufeinander abgestimmt, beherrschten Semel und Mohr zwei Stunden lang die Gefühlsklaviatur der Populärmusik nach Belieben rauf und runter.

Denn „Nomen est omen“: „True Colours“ schickte die Zuhörer „farbenreich“ in ernsthafte Lebens- und Gesellschaftsproblematiken, tragische Liebeswirrungen und ekstatischen Frohsinn. Da wurde gegroovt zu „Feelin‘ good“, „Lucky“, Sara Bareilles‘ „Love Song“, Duffy’s „Mercy“. Oder es wurde geschwelgt in melodischen Gute-Laune-Ohrwürmern wie „Isn’t she lovely“ (Stevie Wonder) und ?Di mi quando?. Nach drei Zugaben wie „Can you feel the love tonight“ (Phil Collins) gab das Publikum mit einem langen Schlussapplaus die Aussage des wunderbaren ABBA-Hymnus „Thank you for the musik“ an die beiden Künstler zurück: Danke für einen furiosen Kunstgenuss, der allen und auch höchsten Ansprüchen genügt hat.

Vor der Soirée hatte Bürgermeister Peter Neubert die 15. Kulturwoche offiziell eröffnet. Er erinnerte an deren Entstehungsgeschichte unter seinem Amtsvorgänger Wendelin Fenn. Die Kulturwoche soll Kunst und Kultur auch im ländlichen Raum, für verschiedene Geschmäcker hochhalten. „Die Kultur muss ein erschwingliches Lebensmittel bleiben“, zitierte er den Dresdener Opernregisseur Theo Adam. Nach 15 Jahren könne man stolz resümieren: Das Bercher Kulturevent habe „Kultstatus erreicht“.

Artikel im Tagblatt vom 08. Juni 2010


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